Zacherlfabrik

Die Fabrikantenfamilie Zacherl existierte in Wien seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als Insektenpulverhersteller. Das Ausgangsprodukt war Pyrethrum, das aus dem Osten, der Kaukasusgegend, über Konstantinopel importiert wurde und in Wien zu Pulver verarbeitet wurde. Dieses wurde unter dem Markennamen „Zacherlin“ in Zerstäuberflaschen auf den Markt gebracht. Durchaus modern muten die Werbemethoden von Johann Zacherl an: einerseits wurde das Orientalische als „Corporate Identity“ benutzt: ein Mann im Turban bewarb das Pulver in Anzeigen und die Fabrik im Orientstil unterstrich die Herkunft. Andererseits warben eine Bühnenburleske „Zacherl“ und ein Couplet „Zacherl und sein Pulver“ offen für Zacherlin gegen „lästiger Insekten Heer“: „….denn gegen solche Höllenbrut sind Zacherl und sein Pulver gut.“

Außerdem kamen Geschäfte in Paris, New York und London dazu. So wurde das Zacherlin auf der ganzen Welt verkauft.

Zacherlfabrik

1880 übergab Zacherl seinem Sohn Johann Evangelist das Geschäft. Dieser beauftragte 1888 das Atelier Heinrich von Ferstels mit dem Bau eines neuen Fabriksgebäudes, das nach dem Entwurf von Hugo von Wiedenfeld von den Brüdern Karl und Julius Mayreder erbaut wurde. 1892-1893 entstanden schließlich die bis heute erhaltenen Fabriksgebäude. Das Gebäude besticht durch seine außergewöhnliche Verbindung von orientalischer Architektur mit einem funktionalen Fabriksgebäude.

Das markanteste Merkmal ist zweifellos die große Kuppel, die an eine Moschee erinnert. Sie symbolisiert den Ursprung der Rohstoffe für das Insektenpulver aus dem Orient.
Die Fassade ist reich verziert mit arabischen Schriftzeichen, geometrischen Mustern und floralen Elementen. Diese Ornamente waren nicht nur dekorativ, sondern hatten oft auch symbolische Bedeutungen, die sich auf die Natur, den Islam oder die Herstellung des Insektenpulvers bezogen.
Auch die Farbgebung und die verwendeten Materialien unterstreichen den orientalischen Charakter: rotbraune Ziegel, blaue Kacheln und grüne Kupferdächer erinnern an die Farben des Orients.

Gleichzeitig ist das Gebäude auch dem Industriedesign verpflichtet:
Der Grundriss der Fabrik ist klar strukturiert und funktional. Die einzelnen Produktionsbereiche waren logisch angeordnet, um einen effizienten Arbeitsablauf zu gewährleisten. Trotz des orientalischen Erscheinungsbildes sind auch typische Elemente der Industriearchitektur vorhanden: große Fenster ermöglichten eine optimale Belichtung der Produktionshallen, und die Materialien waren robust und langlebig.

Nach dem 1. Weltkrieg verlor die Herstellung des Insektenpulvers an Bedeutung, das Gebäude wurde nur mehr zur geschützten Aufbewahrung von Textilien benutzt. 2006 wurde die Fabrik durch Peter Zacherl für eine neue Nutzung adaptiert und es fanden einige Jahre lang Veranstaltungen, Musikabende und Gesprächsrunden statt. Wegen erforderlicher Konzessionen, die umfangreiche Investitionen erfordern würden, ist die Fabrik derzeit nicht bespielt (siehe: http://www.zacherlfabrik.at/).

In Wien ist der orientalische Historismus der Zacherlfabrik einzigartig. Ähnliches findet sich nur in Dresden mit der Yenidze-Zigarettenfabrik im orientalischen Stil, der ebenfalls auf die östliche Herkunft des Rohstoffs (Tabak) hinweist.

Adresse: Nusswaldgasse 14, 1190 Wien

Weiterführende Informationen über den Gründer des Unternehmens, Johann Zacherl in: https://www.oeaw.ac.at/fileadmin/Institute/INZ/Bio_Archiv/bio_2013_06.htm